Kurt Dutz: Recht im Griechenland der Antike 

8. Prozess- Straf- und Privatrecht

Seit Solon die Popularklage eingeführt hatte konnte jedermann klagen, musste allerdings damit rechnen 1000 Drachmen Strafe zahlen zu müssen wenn er für seinen Antrag weniger als ein Fünftel der Stimmen erhielt. Eine Anklage im Strafrecht wurde graphé genannt. In Einzelfällen wurden besondere Verfahren durchgeführt, so die Probole, wo die Anklage erst durch die Volksversammlung vorbereitet wurde und die eisangelia, die den Ankläger vor dem Risiko nach dem Verfahren um 1000 Drachmen ärmer zu sein bewahrte, für ihn also weniger riskant als die graphé war. Dann gab es noch die dike , die Privatrechtsklage.

Die Kontrahenten hatten für Rede und Gegenrede feste Zeiten zur Verfügung, die mit Wasseruhren gemessen wurden. Anwälte gab es nicht, man musste für sich selbst sprechen. Zitierte man dabei ein Gesetz, auf das man sich berief, falsch, machte man sich strafbar. Man konnte sich sein Plädoyer allerdings von einem Dritten verfassen lassen und dieses dann verlesen oder auswendig vortragen.

Waren alle Argumente vorgebracht gab es keine weitere Beratung der Richter bzw. Geschworenen, sondern es wurde unverzüglich abgestimmt. Zu diesem Zweck hatte jeder Richter zuvor zwei psephoi (Stimmsteine) erhalten.

8.1 Quelle: Geheime Abstimmung im Gericht und im Fall einer notwendigen Mindestteilnehmerzahl in der Volksversammlung (Arist. AP 68,2-69,1):

Die Stimmsteine sind aus Erz und haben alle in der Mitte ein Röhrchen; die Hälfte von ihnen ist durchbohrt, die andere ist voll. Die erlosten Aufseher über die Stimmsteine geben, wenn die Reden abgeschlossen sind, jedem Richter zwei eherne Stimmsteine, einen durchbohrten und einen vollen, offen vor den Augen der Prozessgegner, damit nicht einer zwei durchbohrte oder volle bekommt. Der zu diesem Amt Erloste nimmt die Kennmarken in Empfang, an deren Stelle jeder, der seine Stimme abgegeben hat, eine eherne Kennmarke mit der Zahl 3 bekommt (wenn er sie abgibt, erhält er nämlich drei Obolen), damit alle zur Abstimmung gehen. Es kann keiner eine Kennmarke erhalten, wenn er nicht abgestimmt hat.[3] Zwei Amphoren stehen im Gericht, eine eherne und eine hölzerne, so voneinander getrennt, dass man nicht heimlich Stimmsteine einwerfen kann. Dort hinein geben die Richter ihre Stimmstein; gültig ist nur die eherne Amphore, die hölzerne ungültig. Die eherne hat einen Deckel, der so durchbohrt ist, dass nur ein Stimmstein hindurchgeht, damit nicht derselbe zwei einwerfen kann. [4] Wenn die Richter zur Abstimmung schreiten wollen, stellt der Herold zunächst durch Ausruf die Frage, ob die Prozessgegner gegen die Zeugenaussage Einspruch erheben wollen. Man kann nämlich keinen Einspruch mehr erheben, wenn die Abstimmung angefangen hat. Dann ruft der Herold wieder aus: "Der durchbohrte Stein für den Kontrahenten, der zuerst gesprochen hat, der volle für den, der danach gesprochen hat!" Nun nimmt der Richter die Steine vom Stab, hält die Öffnung des Steins zu und lässt den Kontrahenten nicht sehen, ob es der durchbohrte oder volle ist, und wirft den gültigen in die eherne Amphore, den ungültigen in die hölzerne. [69,1] Wenn alle ihre Stimme abgegeben haben, nehmen die Diener die gültige Amphore und entleeren sie auf ein Brett, das so viele Bohrungen hat, wie es Stimmsteine gibt, damit diese offen daliegen und leicht zu zählen sind; die Bohrungen und Füllungen der Steine sollen für die Gegner offen sichtbar sein. Die erlosten Aufseher über die Stimmsteine zählen sie auf dem Brett ab, gesondert die vollen und durchbohrten. Dann verkündet der Herold die Zahl der Stimmsteine, der durchbohrten für den Kläger und der vollen für den Beklagten. Wer die meisten hat, gewinnt den Prozess, bei Gleichstand jedoch der Beklagte.


Desweiteren gab es Verfahren, die bei prozessualen Einwänden Anwendung fanden: Zum Einen die paragraphé, was soviel wie Gegenschrift, Gegenklage bedeutet; es wurde ein Prozess gegen den Kläger oder Ankläger mit der Begründung er habe seine Klage in unzulässiger Weise vorgebracht eingeleitet. Der Kläger wurde zum Beklagten und der laufende Prozess ausgesetzt, bis über die paragraphé entschieden war; zum Anderen gab es die diamartyria, bei der es um Zeugenaussagen ging und die einem Beamten erkennbar machen sollte, ob er in einem Verfahren überhaupt zuständig war. Das war wohl so etwas ähnliches wie ein besonderes Verhör eines oder mehrerer Zeugen deren Aussage in Zweifel gezogen worden war.



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