Ein Beitrag aus: Weltgesellschaft Kontrollgesellschaft Gesellschaft?  Autor: Kurt Dutz.

kommunikation: markt - macht - medien   Inhalt
 

4. Verschränkungen

 
Und er kommt Dir entgegen
haut Dir mit vergnügtem Sinn
in die Schnauze rin
Interzone: "Hintermann"
Die Einführung neuer Medien und Kommunikationstechniken bringt, wie bereits angesprochen, zunächst stets eine stärkere Ausdifferenzierung der Gesellschaft mit sich, wird aber auch von vorgängiger Ausdifferenzierung begleitet. Der Umgang mit den neuen Techniken will gelernt sein und das erfordert neben Zeit auch eine Anzahl von bereits ausgebildeten Spezialisten, die willens und in der Lage sind, die erforderlichen Kenntnisse weiterzugeben. Hinzu kommt, dass die jeweils neuen technischen Medien Ressourcen erfordern, die nicht wie Licht und Luft umsonst verfügbar sind. Das gilt sowohl für den Konsum, als vielmehr noch für die Produktion. Nur wer über ausreichende Mittel verfügt, kann die jeweils neuesten Techniken auch privat in Anspruch nehmen und über den privaten Bereich hinaus zur Anwendung bringen. Es entsteht so etwas wie ein Senderoligopol. Nur wenige sind es, die zu sehr vielen "sprechen" und die damit überproportional viel Einfluss nehmen können (FN4.1).

In der Folge kann es sowohl zu einem Kräftemessen, als auch zu Bündnissen kommen, zwischen denen, welche die (intellektuelle?) Macht über die Medien (Kommunikation) innehaben, denjenigen, die Macht über die Gemeinschaft (Kontrolle) ausüben, und schließlich jenen, die über die notwendigen materiellen Resourcen verfügen (Markt).

Massenproduktion, Massenmarkt und Massenkommunkationsmittel sind geeignet, diese Situation radikal zu verändern. Der Produzent von Massenware ist darauf angewiesen, diese in Massen "an den Mann" zu bringen und zwar mit dem kleinstmöglichen Aufwand. Wie gezeigt wurde, bringen moderne (Massen)Kommunikationsmittel, insbesondere in Form allgemeiner Vernetzung, hierfür ideale Voraussetzungen mit:

  • Sie sind, in ihrer Eigenschaft selbst Massenware zu sein, geeignet "an sich" den Konsum zu steigern, verbunden mit unmittelbaren Auswirkungen auf andere Wirtschaftsbereiche: Energieerzeugung, Accessoires, Batterien, Akkus, Fachzeitschriften und -literatur etc..
  • Sie bieten, einmal hinreichend verbreitet, sie ein komfortables Mittel zur Aquisition von Kunden (Massen e-mails, Werbebanner), mit dem Clou, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil des Werbeaufwands auf den Kunden übertragen werden kann.
  • Sie senken die Vertriebskosten für eine wachsende Anzahl von Produkten und bürden die Versandkosten vollständig dem Abnehmer auf. (Downloads)
  • Das "soziale Element" des Netzes (Chatrooms, Foren etc.) ist, ebenso wie die leichte Verfügbarkeit, geeignet den Nutzer dauerhaft an das Medium - und damit an den medialisierten Markt - zu binden.
  • Das Medium gibt quasi automatisch Aufschluss über Konsum und Freizeitverhalten der Nutzer. Datenschutzbestimmungen sind schließlich keine "ewigen Wahrheiten".
  • Die zuletzt genannten Faktoren sind auch allgemein politisch relevant (Parteipräferenzen, Wahlverhalten).
  • Tendenzen zunehmender Verschränkung sind kaum zu übersehen: Produzenten versuchen sich der Medien, über die die Vermarktung ihrer Produkte läuft, zu bemächtigen, Lieferanten von Information und Wissen trachten danach sich die Transportwege, über die sie ihre Güter liefern, anzueignen. Sony kauft CBS und Columbia Pictures (1989), Matsushita MCA (1990) während sich Phillips - zunächst? - mit der Videoverleihkette Videoland bescheidet (nach Barber 1999 S. 149f.). Kurzum: "Wer als Generalunternehmer die Datenautobahn bauen und dann die inhaltliche Steuerung und Überwachung des Verkehrs an andere abtreten würde, wäre völlig ahnungslos wo [ ... ] der Hammer hängt." (Barber 1999 S.81)
    So besitzt ein Medienkonzern heutzutage "aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur einen Stall voll Verleger, von dem einer dann ein bestimmtes Buch zu veröffentlichen hat, sondern auch die Agentur, die das Buch vermittelt, die Zeitschrift für den Fortsetzungsroman, das Studio zur Verfilmung, den Verleih, die Kinokette, den Videoexporteur für den Weltmarkt und vielleicht sogar die Satelliten oder Kabel über die das Produkt schließlich irgendwo in Indonesien oder Nigeria vorgeführt wird." (Barber 1999 S. 146)  und die stetig fortschreitende Konzentration, einhergehend mit der "absurde[n] Logik der Umsatzsteigerung [ ... ] mündet am Ende in einen einzigen Konzern, der ein einziges Produkt zur Befriedigung aller Bedürfnisse herstellt: einen Sportschuh mit eingebautem Big-Mac und angekoppelter Sonnenbrille, die Coca-Cola direkt in die Adern des Innenohrs flößt und dazu Videoclips in die weitgeöffnete Iris blitzt." (Barber 1999 S. 158)

    Hinzu kommt, dass ein wachsender Anteil der Telekommunikation und Datenübertragung statt über Leitungsnetze drahtlos via Sattellit vorgenommen werden kann und fortschreitende Minituriarisierung der Endgeräte zunehmend Batteriebetrieb ermöglicht. Das erspart kostspielige Investitionen in (noch) wenig interessante, weil erst aufwendig zu erschließende Gebiete. Die von vornherein global ausgelegte Infrastruktur macht besondere lokale Erschließungsmaßnahmen weitgehend überflüssig.(FN4.2)

     


    Fußnoten

    (FN4.1) Möglicherweise war ein solches Senderprivileg auch in Zeiten der vortechnischen Kommunikation schon gegeben, es kann dann allerdings nur aufgrund persönlicher Fähigkeiten (z.B. Redegewandtheit, Klugheit, Ansehen, Autorität) erfolgreich beansprucht worden sein.

    (FN4.2) So war kürzlich in einer Fernsehsendung ein findiger Inder zu bewundern, der mit einer Art mobilem Internet Café in Form einer modifizierten Rikscha durch die Provinz tingelte. Der Rechner wurde durch Akkus, die der Fahrer auf dem Weg von Ort zu Ort per Dynamo auflud, betrieben und die Verbindung zum Netz dann per Satellit hergestellt.


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