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Unvollkommene Betrachtung 1)

der Vollkommenheit oder:

Warum Vollkommenheit nicht Ursprung des Seins sein kann

1: "Ursprüngliche" Überlegungen

Diverse Philosophen sind der Ansicht, dass am Anfang allen Seins ein vollkommenes Wesen stehen müsse, gemeinhin als Gott gedacht/glaubt.

So z.B. Aristoteles, der einen Gott lehrt, der als erster Beweger selbst nicht bewegt ist. Er ist die reine Form ohne Stoff. Er ist reines Denken, reiner Geist. Gott denkt nur das Höchste und Vollkommenste und da er selbst das Vollkommenste ist, denkt er sich selbst.

Descartes1. Gottesbeweis:
Descartes entdeckt in sich die Idee Gottes, als des allervollkommensten Wesens. Diesem Wesen muss Existenz zukommen, denn sonst wäre es ja nicht vollkommen. Ist Gott vollkommen, dann verfügt er über alle denkbaren Attribute, also auch über das der Existenz.

Mir fällt allerdings gerade auf, dass denkbare Attribute nicht notwendigerweise alle Möglichkeiten (außerhalb des Denkbaren) einschließen. Außerdem schließt Descartes die Möglichkeit der Nichtexistenz Gottes von vornherein aus. Etwas, das alle Möglichkeiten in sich vereinigt, müsste jedoch sowohl sein, als auch nicht sein und das gleichzeitig - zeitlos. Ein solches Nicht-Sein-Sein käme also auch Gott zu. Herzlichen Glückwunsch HerrGott.

Weiterhin wäre noch die Frage zu klären, ob es sich bei Existenz überhaupt um ein Attribut handelt, da die Existenz von etwas, die allererste Voraussetzung dafür ist, dass es überhaupt über Attribute verfügen kann. Ich kann Dinge denken ohne sie sinnlich wahrzunehmen (das ist ja gerade die hervorragende Eigentümlichkeit des Denkens), ich kann aber nicht Nichtexistenz (von etwas) denken, das ich nicht zuvor als existierend gedacht habe. Das heißt, um überhaupt etwas denken zu können, muss ich es kennen, muss ich es wissen.

Das ist der Punkt an dem Descartes irrt, und an dem ihn auch sein 2. Gottesbeweis, den er aus der Annahme ableitet, dass eine Wirkung nie vollkommener sein könne als ihre Ursache, nicht retten kann. Die Idee eines unendlichen Wesens, so lautet seine These, kann nicht vom Verstand hervorgebracht werden, da dieser endlich ist und die Idee des unendlichen Wesens als dessen Abbild, die tatsächliche Existenz eben jenes Wesens voraussetzt, weil es anders nicht in den Verstand gelangt sein kann.

Vielleicht haben wir trotz der Endlichkeit unseres Verstandes, aber einfach das Problem, dass wir gerade NICHT endlich denken können? Wer von uns kann denn SEIN EIGENES ENDE denken? Und das, obwohl wir alle wissen, dass es unausweichlich ist?

Wenn wir, wie weiter oben angesprochen, nichts als existent denken können, von dem wir nichts wissen und wenn wir weiter davon ausgehen, dass alles was wir wissen können, uns durch unsere Sinne vermittelt werden muss, dass jede Abstraktion (wenn es nicht eine, aus reinen Relationen bestehende a la Hegel ist) zunächst von der Wirklichkeit abgezogen sein muss, dann müssen wir, wenn wir Gott erklären wollen, fragen, von was diese Vorstellung eigentlich abgezogen ist.

Die Antwort liegt auf der Hand: der Mensch erlebt sich selbst als die vollkommenste aller Erscheinungen. Er erlebt sich als denkend, VOR STELLEND, schaffend, formend, mit Fähigkeiten begabt, die er außer sich nirgends vorfindet. Er sieht, dass vermittels seines Tuns Dinge Gestalt annehmen, Realität erhalten, von denen er zunächst nur eine Vor-Stellung, eine Idee hatte. Es dauert nicht lange, dann schafft er sich selbst; d.h. er bildet sich nach, indem er Formlosem Form gibt.

Wer weiß, wann die erste Skulptur aus Lehm modelliert wurde? Sicherlich wird man vermuten dürfen, dass dieses lange geschah, ehe die "Venus von Willendorf" aus Kalkstein geschnitten ward und es ist kaum anzunehmen, dass sich der damalige Mensch bei seinen formenden Bemühungen sofort und zuallererst solch widerspenstigen, aber dauerhaften, Werkstoffen zugewandt haben sollte. Vielmehr darf man wohl davon ausgehen, dass dieser Arbeit zahlreiche Versuche mit leichter formbaren, wenngleich vergänglicheren, Stoffen vorhergegangen sein müssen. (LEHM z.B.)

Der frühe Mensch beschaut die Welt, in der er lebt und erkennt sich selbst als schaffend, alles andere jedoch als schon geschaffen; so darf er annehmen, er habe das Prinzip "Entstehung" (aufgrund seines eigenen Tuns) erkannt. Er sieht die Evolution ja noch nicht; er ist in ihr. Was ist, ist gegeben, oder von ihm selbst - und nur von ihm - (planvoll) er_zeugt.
Es muss also noch etwas "da sein", das Er-Zeuger des bereits Vorhandenen ist. Etwas, das ihm, dem Vor-Stellenden, selbst ähnlich sein muss - ein potenzierter Mensch - Gott!
Der potenzierte Mensch, -Gott - ist nicht mehr und nicht weniger, als die Differenz zwischen dem Menschen und dem "Rest der Welt".

  • Der Mensch denkt. - Gott ist Gedanke.
  • Der Mensch hat Ideen. - Gott ist Idee.
  • Der Mensch ist schöpfend/ schöpferisch. - Gott ist Schöpfung.
  • Der Mensch formt. - Gott ist Form.2)
  • Der Mensch hat Vorstellungen. - Gott ist Vorstellung -  vor(alles andere)gestellt.
  • Der Mensch lebt. - Gott ist Leben.
  • Der Mensch ist gesellig und das sind - zunächst - auch seine Götter. Überhaupt waren diese jenem anfangs ziemlich ähnlich gedacht; eigentlich unterschieden sie sich von den Menschen zunächst nur durch ihre größere Potenz, die oben angeführten Punkte betreffend, sowie durch die Eigenschaft, nicht sterblich zu sein. Vielleicht wuchs die Potenz "Gott" mit den wachsenden Fähigkeiten der Basis Mensch. Der Mensch wurde vom Jäger und Sammler, der nur Vorgefundenes transformierte, zum Viehzüchter und Ackerbauern, der lernte, seine eigenen Transformationen weiter zu transformieren, so dass sie am Ende sein ursprüngliches Produkt zu sein schienen, von allen anderen Gegebenheiten verschieden.
    Der Mensch fing an sich als Individuum zu begreifen und - Gott wurde omnipotentes Individuum - integrierte Omnipotenz. Diese Entwicklung schritt fort, der Mensch entdeckte die Vernunft - und Gott ... der zu früheren Zeiten oft alles andere als rational agierend (herrisch, rachsüchtig, unbeherrscht) ge-dacht/glaubt wurde ... ach denken sie das ruhig alleine weiter ...
    Je mehr der Mensch zu differenzieren lernte, desto mehr wurde Gott - Differenz. Das Paradoxe dabei: Was der Mensch bei sich zu trennen suchte -  i.e.: Vernunft, Verstand, Geist, Seele etc. - sollte hier in der Differenz 2a) vereinigt sein.
    (23.11.2003)Mit wachsender menschlicher Potenz freilich, muss ein solcher Gott, als absolut gedacht und damit zu solchem Wachstum an sich nicht fähig, dem Menschen einst gleich-gültig werden. Er kann abtreten.  In seinem "Anfang" - grundlos gedacht -, lag sein Ende bereits beschlossen. Der Mensch geht dem Gott vorher. Nach wie vor - Voher wie Nachher. - Was dem Gott einst Stärke verlieh, schwächt ihn nun: nicht zur Anpassung fähig, ist er zum Aussterben verurteilt. Die Evolution tritt als Richterin auf, mit Darwin als Ankläger, der Ratio als Henker und Nietzsche als Amtsarzt, der konstatiert: Gott ist tot.
     

    2: Versuch einer Definition - Vollkommen

    Was aber ist  nun mit der absoluten Vollkommenheit als Ursprung allen Seins?

    Kann Vollkommenheit etwas anderes sein, als ein definitiv bester, unübertrefflicher und somit endgültiger Zustand? Und ist Leben nicht ständige Veränderung, Varianz, werden - vergehen - werden (Genau genommen, wie an anderer Stelle bereits bemerkt, eigentlich nur: werden - ununterbrochenes anderswerden.) von unterschiedlicher "Qualität", also etwas höchst Unvollkommenes?
    (Inzwischen las ich bei Aristoteles: 'Natur ist ein Prinzip der Veränderung.', was ja wohl auf das selbe hinausläuft)

    Schon für Schopenhauer ist der Begriff "Vollkommenheit" nur als als ein Attribut überhaupt sinnvoll anwendbar. Allerdings ist ein "vollkommenes Wesen" ihm ein ebenso leerer Begriff wie Vollkommenheit an sich - ohne Bezug auf etwas, und ich denke er hat Recht. Kein Wesen kann überhaupt etwas anderes als Wesen sein; das heißt: ein veränderlich Ding. Ihm gegenüber steht nur das "Nicht-Wesen" 3).

    Möglich scheint es, dass die Philosophen, die von einem vollkommenen Wesen sprechen, damit ein Wesen meinen, dass nur noch als Geist jenseits der Materie existiert. Dass aber, das nicht mit Materie verknüpft sein, ein vollkommenerer Zustand eines Wesens sei, als der umgekehrte Fall, ist nur eine Behauptung, für die es keinerlei Beweis gibt. Was dabei herauskommt, wenn man den Begriff Vollkommenheit als absolut, also nicht als Attribut, sondern als Träger von Attributen betrachtet, soll im Folgenden untersucht werden.

    Vollkommen, als absoluter Begriff, würde, wie schon erwähnt soviel wie: in jeder Hinsicht vollständig - also nicht weiter formbar - und endgültig - unübertrefflich bedeuten müssen.

    Vollkommenheit ist aber, wenn sie als ein zu erstrebendes Ziel (Vervollkommnung) angesehen wird, nicht ewig, denn sie benötigt ja den Zustand der Unvollkommenheit als ihren Ursprung. Dass aber auf sie etwas anderes (ein anderer Zustand) folgen könnte ist nicht denkbar, da ihr per se nichts folgen kann außer ihr selbst. Wenn wir die Vollkommenheit aber als etwas noch zu erlangendes (weil uns die Gegenwart als unvollkommen erscheint) betrachten, kann sie demzufolge noch nicht gewesen sein. So gesehen, hat Descartes (und andere) auch in dieser Hinsicht geirrt und das wäre auch gut so, denn nach seiner Definition, gäbe es nur ein Abwärts, kein Empor, gäbe es kein Werden, sondern nur Vergehen und das hat er wahrscheinlich selbst nicht geglaubt.

    Die Möglichkeit, dass Vollkommenheit eine Änderung erfahren könnte, ist auszuschließen, da schon eine solche Möglichkeit einen Mangel, und damit Unvollkommenheit bedeuten würde.

    Anders: Ein Wandel des Vollkommenen ist undenkbar.

    Selbst partielle Vollkommenheit ist nur als eine Idee vorstellbar, z.B. als Idee einer vollkommenen geometrischen Figur.

    Überträgt man die vorstehenden Überlegungen nun auf das Leben, wie wir es erleben, dann wird deutlich, dass dieses seinen Ursprung auf keinen Fall in Vollkommenheit, geschweige denn einem "vollkommenen Wesen" haben kann.

    Vollkommenheit kann niemals Ursprung, stets nur Ziel sein. Da Vollkommenheit aber jede weitere Änderung ausschließt und gerade Veränderung das entscheidende Moment dessen, was wir als Leben bezeichnen ist, folgt:  Vollkommenheit ist dem Leben (als etwas notwendig Unvollkommenen) ein Widerspruch.

    Ein vollkommenes "Wesen" kann es nicht geben, da ein Wesen 3a) immer als etwas "lebendiges" oder "wirkendes" anzusehen und somit notwendigerweise unvollkommen bleiben muss solange es wirkt. Das Vollkommene muss aber notwendig nichtwirkend sein; demzufolge "wesenlos (Unwesentlich?)".Nichtwirkend, bedeutet aber auch: nicht bewirkend, nicht schöpfend (also auch nicht göttlich) etc. Selbst wenn man -inkonsequenterweise- ein vollkommenes Wesen annähme, wäre es diesem schlechterdings unmöglich, etwas anderes als Vollkommenheit zu schaffen, weil es durch die Schöpfung des Unvollkommenen seine eigene Vollkommenheit negieren würde; der ZUSTAND der Vollkommenheit wäre aufgehoben.

    Anders ausgedrückt: Ein vollkommenes Wesen kann kein schaffendes sein. Im Grunde genommen kann es nicht einmal ein Wesen sein, denn wie könnte man einem Zustand absoluter Starre (besser: Unveränderlichkeit) überhaupt Wesenhaftigkeit attestieren?

    So betrachtet, löst sich Vollkommenheit in "Nichts" auf.

    Es gibt ja auch dieses geflügelte Wort: 'Nichts ist vollkommen',  welches vielleicht wahrer ist, als man gemeinhin annehmen möchte.

    Wäre die Welt allerdings aus einem solchen vollkommenen "Nichts" entstanden, so wäre ihr Ursprung doch vollkommen gewesen, was aber nicht sein kann, denn wäre das Nichts ein vollkommenes gewesen, hätte ihm ja nichts entspringen dürfen. "Nichts" aber, hätte ihm entspringen dürfen!

    Andererseits: wenn das Nichts aus sich selbst etwas schafft, dann ist es eben auch unvollkommen; bzw. verliert es im Moment der Schöpfung seine zuvor vorhandene Vollkommenheit; hört auf zu existieren; sofern man in Bezug auf "Nichts" überhaupt von Existenz sprechen kann.

    Ergo müsste Vollkommenheit sogar weniger als Nichts sein. Denn ein - angenommenes - Schöpfungspotential des Nichts machte es ja zugleich auch unvollkommen 4).

    S.: "Es gibt aber auch Philosophen, die das Nichts nicht als in sich vollständig und endgültig definieren."

    >Das widerlegt meine Ausführungen aber nicht; denn: Es ist schlechterdings unmöglich, dass es Nichts gibt. Unsere Existenz belegt das.<

    S.: "Eben doch, wenn Du sagst 'Nichts ist vollkommen.'. Unsere Existenz belegt noch lange nicht, dass es nicht auch ein Nichts gibt!"

    >Per Definition schließt "Nichts" jegliche Anwesenheit von etwas außer ihm selbst - das ja selbst nicht sein kann - aus; keine Erscheinung, keine Materie, keine Energie: Nichts. Deswegen kann "Nichts" ebenso wie "Vollkommenheit" nicht wirklich 5)gegeben sein. Es kann nur als Idee existieren.<

    S.: "Wie steht es mit der Entwicklung der Ideen, Gefühlen etc.?"

    Die Ideen sind selbst ohne Verknüpfung mit Materie mehr als nichts, oder? Gefühle sind ohne Sinnlichkeit schlichtweg 'unsinnig'. Sie sind immer Reaktionen des Geistes auf Affekte aus der sinnlich erfahrbaren Welt. Womit ich meine: mit etwas sinnlich Erfahrbarem verknüpft 6).

    S.: "Also (sind Ideen) übervollkommen laut Deiner These. Widersprüchlich d.h. Realitätsfremd."

    >Die Realität ist aber an sich widersprüchlich, weswegen Widersprüchlichkeit notwendig nicht 7)realitätsfremd sein muss.<

    Was man noch erwägen könnte, ist, dass die Unvollkommenheit selbst das einzig Vollkommene sein müsse, da sie sich in ihrer wesentlichen Beschaffenheit nicht ändern kann, ohne im Nichts (also der Vollkommenheit) zu enden.

    Da, wie weiter oben bereits bemerkt, die Vollkommenheit nicht ewig und grundlos ist, sondern etwas, das angestrebt wird darstellt, setzt sie notwendigerweise das Unvollkommene, als das seinerseits Grundlose (und somit ewige - es sei denn es vervollkommnete sich), als ihren Ursprung voraus. Also kann man davon ausgehen, dass das Leben selbst grundlos und ewig sein muss. Wo aber ewiges Leben ist, kann es weder Nichts noch Vollkommenheit geben. Ferner kann es angesichts der Endlosigkeit des Lebens keinen Tod geben; oder: Vollkommenheit, Gott und Tod kann man gleichsetzten. Anders ausgedrückt: Vollkommenheit, Tod und Gott können entweder nur als Idee, die nie in Erscheinung tritt - also lebendiges Abbild der Idee wird - oder nur jenseits allen Lebens, als dessen Negation oder Verneinung gedacht werden.

    Die Idee des "Nichts" kann aber nur auf Kosten aller anderen Ideen bzw. deren Erscheinungen, selbst "Realität" gewinnen - "erscheinen". Es bleibt ferner zu bedenken, dass die Erscheinungen der Ideen nie deren "Vollkommenheit" erreichen, woraus folgt, dass Vollkommenheit (und damit Gott (im "hergebrachten" Sinne), Nichts, Tod) in der Wirklichkeit, nicht erscheinen kann 8). Vollkommenheit bildet also im wahrsten Sinne das Jenseits der wirklichen Welt. Das Jenseits kann aber nicht zugleich mit der Wirklichkeit existieren, da es als "Vollkommenes Nichts" eben vollständig gehaltlos sein müsste. Der Herr (Gott) ist also nicht, wie die Bibel behauptet, das Leben, sondern dessen Gegenteil.

    Die Ewigkeit des Lebens kommt in der Tatsache, dass es buchstäblich All-Gegenwärtig ist, zum Ausdruck. Es wurde dem Kosmos nicht nachträglich von "außen" beigegeben, sondern ist aller Wirklichkeit immanent. Wirklichkeit, aber ist (wie schon Schopenhauer - meiner Ansicht nach durchaus einleuchtend - erklärt hat) Materie, denn Materie ist das Wirkende schlechthin - ist Kausalität - ist Leben. Materie ist aber (naturwissenschaftlich betrachtet) gleichzeitig so etwas wie der zweite "Aggregatzustand" von Energie. Lebendigkeit kann man als eine besondere Verhältnismäßigkeit (oder Proportionalität) dieser beiden Ausformungen ein und derselben "Substanz" bezeichnen.Diese muss aber per se das Leben beinhalten; die Welt, deren Teil wir sind und die wir wahrnehmen, ist nur eine der - wahrscheinlich unendlichen - Möglichkeiten der Erscheinung des Lebens, das an sich unvergänglich ist und gerade im ständigen Wandel, im endlosen Werden und Vergehen seiner Erscheinungen, sich offenbart.

    Die eigentliche Paradoxie des Lebens aber scheint darin zu bestehen, dass das Streben nach Vollkommenheit - also seiner Negation - gerade das ist, was es selbst - den ständigen Wandel - das Leben - bewirkt.

    Schopenhauer drückt das etwa wie folgt aus: Alles Wollen, entsteht aus Mangel, also aus Leid, deswegen ist alles Leben auch Leiden.

    Man kann auch sagen, dass jedem Moment des Lebens etwas unvollkommenes anhaftet, von dem es wegstrebt; dass der Mangel also letztendlich in der Unvollkommenheit besteht, denn was anderes als Mangel ist es, das das Unvollkommene ausmacht?

    Allerdings wird das Erreichen dieses Zieles, das ja eigentlich die Negation des Lebens - seine Verneinung - darstellt, durch die Individualisierung dieses Strebens in Form einzelner Erscheinungen und des damit notwendigerweise verknüpften Widerstreites zwischen ihnen, mehr oder weniger verunmöglicht. Denn sobald sich eine Erscheinung auf das Ziel zubewegt, tun das alle anderen auch und zwar unkoordiniert, konkurrierend; das heißt: die Bedingungen zur Erreichung des Zieles ändern sich, mit jedem Versuch einer Einzelerscheinung, sich ihm zu nähern, für die Summe aller Erscheinungen. Die Versuche müssen also vergeblich bleiben. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Was wäre das Leben, wenn alle seine Erscheinungen sich einmal in einer einzigen vereinigten?

    Wohin, wonach sollte diese streben?

    Zur Vollkommenheit?

    Zum Nichts?

    Das sich dann als unvollkommen erkennen muss, weil es merkt, dass es nicht wirklich Nichts sein kann, woraufhin dann alles von vorn beginnen muss?

    Das zuletzt geschriebene, könnte fast als so etwas wie das philosophische Korrelat der naturwissenschaftlichen Theorie vom immer wieder neu entstehenden Universum angesehen werden.

    Soweit ich weiß, gibt es ja zwei das Universum betreffende Theorien; die eine (verbreitetere) geht davon aus, dass es sich immerwährend ausdehnt - endlos ausdehnt, also nur eine Richtung kennt; die andere besagt, dass es einen Punkt maximaler Ausdehnung geben müsse, an dem es dann kollabiert und in seinen Ursprung (prae-Urknall) zurückfällt, um dann erneut zu entstehen, sich auszudehnen, zu kollabieren und so fort. 9)

    Aus dem zuvor Gesagten insgesamt, geht zwingend hervor, dass es Gott als Inbegriff der Vollkommenheit in der Wirklichkeit nicht geben kann. Das ändert aber nichts an seiner ideellen Existenz.

    Der Behauptung, dass es ein Jenseits gibt und dass dieses Jenseits Gott enthalte ist durchaus zuzustimmen. Mehr noch: das Jenseits ist alles dies: Tod, Vollkommenheit, Gott => Jenseits ; das alles sind Begriffe die nicht in der Wirklichkeit existieren können und deswegen auch keinen Einfluss auf das Wirkliche ( = Wirkende = Materie) haben. Damit ist aber nicht gesagt, dass sie überhaupt ohne Einfluss bleiben müssen.

    Wenn Vollkommenheit nicht Ursprung ist, sondern nur Ziel, also nicht gewesen und nicht gegenwärtig, dann kann sie zwar nicht direkt auf das Wirkende Einfluss nehmen, wohl aber auf die Ideen des Wirklichen, i.e. auf seine Motive. Ein Motiv muss um zu wirken ja nicht notwendigerweise in der Wirklichkeit, genaugenommen nicht einmal im Bereich des tatsächlich Möglichen, liegen, um etwas zu bewirken, in Bewegung zu setzen-halten (Das eine so paradox wie das andere, denn sowohl sich setzen, als auch "halten" bezeichnen ja eigentlich Zustände des [beginnenden] Ruhens.). Ebensowenig gilt das für ein Ziel.

    Ein Ziel aber muss es geben wo etwas wirken soll. (Wirkung erzielen ) Insofern ist Vollkommenheit, und damit auch Gott, Tod, Jenseits, "Nichts", nicht verursachend, aber dennoch bewirkend. Es gilt also nicht nur: 'Nichts ist vollkommen'; sondern auch: 'Nichts ist wirksam'. Falsch aber wäre 'Nichts ist wirklich.' Das komische aber ist, dass so gesehen, der Ursprung, also das (be)Wirkende, nicht am Anfang sondern am Ende (bzw. jenseits) aller Wirklichkeit liegt. Das wirft evtl. auch ein anderes Licht auf die Bemerkung: Gott sei das alpha und das omega.

    Jenseits aller Wirklichkeit, ist der bessere Ausdruck, weil er ja besagt: Da wo das Wirkliche nicht ist. Zeit und Kausalität spielen nur in der Wirklichkeit eine Rolle; jenseits der Wirklichkeit kann es sie nach allem zuvor gesagten nicht geben.

    Ewigkeit bedeutet also nicht nur ohne Anfang und ohne Ende, es bedeutet auch ohne Dauer und ohne Ausdehnung. Also kann auch dieser Begriff unter unter 'Nichts' eingeordnet werden.

    Nichts = Vollkommenheit = Gott = Tod = Jenseits = Ewigkeit 10).

    Aber auch Abwesenheit allen Leidens, logisch, denn wo 'Nichts' anwesend ist muss alles andere abwesend sein. Selbst für Leere bleibt im 'Nichts' kein Raum, weil eben genau ein Solcher Voraussetzung der Leere wäre.

    Also nochmal:

    Nichts = Vollkommenheit = Gott = Tod = Jenseits = Ewigkeit = Unwirklichkeit.

    Aber doch: Wirksamkeit?

    Immerhin, das ist zu bedenken, bedeutet Unwirklichkeit ja nicht: Nichtsein. Oder doch? Ist nicht alles Seiende in irgendeiner Weise wirklich-wirkend?

    Trotz der vorhergegangenen Überlegungen aber, scheint sich die Unendlichkeit zu erstrecken, und zwar sowohl ins 'unendlich' Große, als auch ins 'unendlich' Kleine; ins 'unendlich' Lange sowohl als auch ins 'unendlich' Kurze.

    So stellte schon Schopenhauer (und vielleicht andere vor ihm) fest, dass die Zeit unendlich teilbar sei und dass das gleiche für den Raum gelte. Was die Materie, von der er das gleichfalls annahm und die nichts anderes als die Verknüpfung von Raum und Zeit, und somit Kausalität darstellt, angeht, steht einer solchen Annahme kein wirklicher Beweis entgegen, sondern lediglich die Annahme, dass es ein letztes unteilbares Teilchen geben müsse. Aber selbst wenn das der Fall wäre, würde es nicht von wirklicher Bedeutung sein: jenseits des kleinsten Teilchens bliebe die Wandlung von Materie in Energie, die man sicherlich als unendlich teilbar ansehen darf. Aber unendlich teilbar kann ja nur in der Wirklichkeit (Nichts ist unteilbar.) liegendes sein. Woraus folgt, dass solche Fragen jenseits des Wirklichen keine Rolle spielen.

    Die Frage ist jetzt: Wie ist es möglich, dass die Unwirklichkeit (hier als Ewigkeit bzw. Endlosigkeit) in der Wirklichkeit erscheinen kann? 11)Dass sie also, obwohl sie einander eigentlich ausschließen, einander dennoch zu durchdringen scheinen?Oder gibt es einen Unterschied zwischen Ewig und Endlos? 12)

    Wenn ja; worin besteht er?

    Mit diesen Fragen können sich jetzt erstmal andere herumschlagen.
    Viel Spaß dabei.

    Kurt

    P.S. Da glaubt man, eine Antwort auf irgendwas gefunden zu haben, und was bleibt?

    Neue Fragen ... Sch...e!-)

    Auch Platos Ideen, die "vollkommenen" Urbilder der Erscheinungen, sind ja unveränderlich und unbeweglich, nichtstofflich: die Bewegung ist als Idee unbeweglich. Das heißt, dass auch die Idee des Lebens selbst nicht am Leben teilhaben kann. Andererseits hat sie aber teil, da sie ja der Entwurf des Lebens schlechthin ist, außerdem ist selbst eine Idee mehr als nichts, also unvollkommen. Auch die Idee des Todes wird nicht "verwirklicht", denn, das was wir in der Wirklichkeit als Tod bezeichnen, ist ja nur ein Wandel des Lebendigen, der Übergang einer Form von Erscheinung in eine (oder mehrere) andere.

    Was mir noch eingefallen ist:

    Erneut aufgegriffen und leicht abgewandelt ergibt sich folgende Gleichung:

    Nichts(ein) = Vollkommenheit = Gott = Tod = Jenseits = Unendlichkeit = Unwirklichkeit.

    Aber doch: Wirksamkeit?

    Daraus folgt bei dialektischer Betrachtung als notwendiger Gegensatz:

    Sein = Unvollkommenheit =(????) = Leben = Diesseits = Endlichkeit(in unendlicher Wiederholung!) = Wirklichkeit.

    Bewirkt sein ?
     

    3: Ein Kommentar

    B.:

    die frage ist also ob vollkommenheit ein dynamischer oder statischer zustand ist.

    wenn vollkommenheit statisch wäre, dann wäre sie gleichzusetzen mit dem tod, dem nichts, stimmt.

    veränderung bedeutet nicht das dem das sich verändert ein mangel innegewohnt haben muss. ändern kann sich auch die außenwelt um das vollkommene herum. und die änderung könnte die passgenaue reaktion darauf sein z.b.

    vollkommenheit wäre für mich also etwas wie die größmögliche fähigkeit zur bestmöglichen veränderung. und das universum ändert sich ständig. niemand hält es an.

    auch makellose schönheit beruht auf veränderung. ein wunderschönes kind wächst heran. und wäre nicht schön wenn es dabei immer wie ein kind bleiben würde. gleiches gilt für jugend auch wenn sie für der erstrebenswerteste zustand oder schönste oder vollkommenste gehalten wird.

    also ich glaube die stärkste orientierung zur veränderung, also zum leben hin ist die liebe. und deshalb können wir wenn wir leben einen blick auf die vollkommenheit werfen, auf die des geliebten gegenüber und auch auf die eigene. vielleicht auf beides gleichzeitig.

    ich glaube über sowas ähnliches habe ich ein paar mails vorher auch schon geschrieben.

    wenn wir lieben sind wir vollkommen? meinst du das kann sein?

    leider wird die idee der liebe oder die liebe ja vollkommen, aber wirklich vollkommen pervertiert. meines erachtens liegt es daran das weil das verhältnis von männern und frauen ein herrschaftsverhältnis ist. das führt einmal dazu das die idee der herrschaft über den anderen attraktiver erscheint, besonders vielen männern, zum zweiten führt es dazu, das selbst bei liebenden, die mechanismen diese herrschaftsverhältnis so stark wirken, das sie nicht zueinander finden können.

    das heißt die rahmenbedingungen für liebe sind schlecht. und ab 30 oder so weiß man das.

    aber wie kann man lieben wenn man das weiß?

    jedenfalls glaube ich das die idee der vollkommenheit, auch von der idee der herrschaft über andere vergiftet ist.

    mir scheint vollkommene schönheit wird nur angestrebt um das andere geschlecht besser beherrschen zu können als eine art waffe. und das ist fast wieder hässlichkeit. und daher kommt vielleicht auch die (falsche idee) vollkommenheit wäre etwas statisches. weil man eigentlich herrschaft anstrebt und diese sich statisch wünscht.

    also meine philosphie geht irgendwie immer von liebe aus. und ich würde mal behaupten, das vollkommenheit dynamisch ist, also das leben widerspiegelt und die schöpfung und neuerschaffung, liebende erschaffen das universum neu und überhaupt auch ganz handfest neue dinge. insofern können wir in der liebe zu einem anderen menschen gott erkennen, das ist aber auch religion jüdische glaub ich. nicht so sehr christentum, aber auch, aber da gibt es weniger interpretationsstränge so von der geistlichkeit.

    sich an der liebe vergehen ist so etwas wie blasphemie - gotteslästerlich.

    und ich glaube jeder mensch kann das spüren.

    was meinst du?
     

    4: Versuch einer Antwort

    Also eins nach dem anderen:

    Viele Meinungen bildet man, weil man von einer falschen oder vagen Bedeutung der Begriffe ausgeht.

    Wenn Vollkommenheit Dynamik besitzen soll, wohin soll sie sich dann bewegen? Es gäbe ja nur eine Richtung: Es müsste eine Übervollkommenheit geben und hinter dieser eine Überübervollkommenheit und so fort. Die Frage wäre dann aber: WAS soll denn der Begriff Vollkommenheit überhaupt ausdrücken, wenn nicht das, was verbal in ihn hineingelegt wurde?

    Voller als voll geht nicht. Der Eimer, in den Du was reingießt obwohl er schon voll ist läuft über, aber er bleibt was er ist: VOLL. Das, was danebenläuft geht den Eimer ja im Grunde nichts mehr an; vervollkommnet den Grad seiner Füllung nicht weiter.

    Er ist vollkommen gefüllt wenn Du so willst. Andererseits kannst Du ihn natürlich umkippen und so dem Zustand des vollkommen Gefülltseins ein Ende bereiten. Das wäre dann aber eine Entfernung von der Vollkommenheit in Richtung Unvollkommenheit 13).

    Davon abgesehen, handelt es sich bei einem vollkommen gefüllten Eimer nur um partielle Vollkommenheit, bzw. eigentlich um gar keine. Es würde reichen ihn als vollständig gefüllt zu bezeichnen.

    Denn die Vollständigkeit ist ja nur in Bezug auf eine seiner Eigenschaften, sein Fassungsvermögen, gegeben. Das macht den Eimer insgesamt aber nicht zu etwas Vollkommenen; vielleicht ist er angerostet, ihm fehlt ein Henkel usw. Außerdem ist es fraglich ob ein voller Eimer als vollkommener anzusehen wäre als ein leerer.

    Das gleiche gilt für Schönheit: Makellosigkeit, ist durchaus nicht dasselbe wie Vollkommenheit. Was aber als makellos anzusehen ist, ist eine subjektive Frage. Das heißt, wenn ich sage: diese oder jene Person ist makellos schön, dann musst Du mir in dieser Ansicht keineswegs zustimmen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich durchaus nicht der Meinung bin, dass Makellosigkeit Bedingung dafür ist, dass ich etwas als schön empfinde. Das ist wohl eher eine Frage der Verhältnismäßigkeit verschiedener Merkmale und/oder Eigenschaften, die dann als harmonisch = schön empfunden werden.

    Ich kann Dir auch in der Annahme, dass die noch zu erwartende Veränderung das Gegenwärtige schön erscheinen lässt, nicht zustimmen.

    Denn es ist ja gar nicht abzusehen WELCHE Veränderungen eintreten werden. Schönheit ist entweder gegenwärtig, oder sie ist nicht; selbst etwas, das ich mir als künftiges schön werdend vorstelle, befindet sich im Moment der Vorstellung ja in der Gegenwart und ist nur solange schön, wie ich es mir vorstelle. Außerhalb meiner Vorstellung aber existiert es nicht. Vorstellungen sind also immer Gegenwärtiges. Vergangenes sich vorzustellen, bedeutet ja auch: es sich zu vergegenwärtigen. Man kann sich also nichts vorstellen ohne es (gleichzeitig ) 14) in die Gegenwart zu holen.

    Oder anders: wenn ich an jemanden denke, den ich längere Zeit nicht gesehen habe,dann denke ich JETZT an ihn, auch wenn ich mir dabei vielleicht vorstelle wie ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, wie ich ihm im Laden begegnete oder wie ich meine Freizeit mit ihm verbrachte;also lauter Begebenheiten, die in der Vergangenheit stattgefunden haben; die ich mir aber immer nur gegenwärtig vorstellen kann.

    Ich denke, dass die Unvollkommenheit endlos viele Grade kennt, die Vollkommenheit aber nicht. Sie kann nur sein oder nicht. Wo sie aber ist, muss alles Unvollkommene abwesend sein. Insofern ist sie auch unendlich, da es nichts gibt was sie begrenzt.

    Darin, dass das Universum sich ständig ändert, stimmen wir überein, aber meiner Ansicht nach ändert es sich nicht, weil es sich im Zustand der Vollkommenheit befindet, sondern weil es diesem Zustand entgegenstrebt. Das habe ich ja vorstehend bereits ausgeführt.

    Natürlich hält niemand das Universum an; richtig ist vielmehr: 'Nichts' hält das Universum an. Denn wo nichts ist, ist auch das Universum nicht.=:)

    Wenn nicht Mangel die Ursache für Veränderung ist, was ist dann der Grund?

    Eigentlich widersprichst Du mir hier ja auch nicht wirklich, denn wenn du sagst: "ändern kann sich auch die außenwelt um das vollkommene herum. und die änderung könnte die passgenaue reaktion darauf sein z.b." dann ist ja klar, dass das was sich ändert, das Unvollkommene ist, dem es an Vollkommenheit mangelt und das eben auch vollkommen werden möchte. Oder seh' ich das falsch?

    Der Unterschied ist eigentlich nur, dass Du davon ausgehst, dass Unvollkommenes und Vollkommenheit nebeneinander existieren könnten, das können sie (als Vorstellung) auch, aber sie können nicht gleichzeitig sein. Das Vorhandensein des einen setzt in der Wirklichkeit eben immer die Abwesenheit des anderen voraus.

    In der Wirklichkeit deswegen, weil es jenseits der Wirklichkeit keine Zeit und damit auch keine Gleichzeitigkeit gibt. Vom Jenseits aus betrachtet, spielt aber die Zeit keine Rolle, weil Vollkommenheit die Anwesenheit des Unvollkommenen ohnehin ausschließt.
     

    5: Über die Liebe

    Dass die Liebe ein Grund für Veränderung sein kann, sehe ich auch so. Aber durch sie wird weder das geliebte Gegenüber, noch man selbst vollkommen. Es kann aber sein, dass einem das Gegenüber vollkommen erscheint, das ist aber nicht dasselbe. Es ist wieder nur eine Vorstellung, keine Gegebenheit.

    Schon dadurch, dass man (in der Regel) nur 'selektiv' und 'temporär' liebt zeigt sich, dass auch hier keine Vollkommenheit gegeben ist. Bestenfalls die Hoffnung ihr näherzukommen.

    Man liebt nicht total, sondern man liebt etwas. Man liebt auch nicht immer, sondern zeitweilig. Was man heute zu lieben glaubt, dessen ist man morgen vielleicht überdrüssig und übermorgen hasst man es womöglich. Das ist zwar nicht notwendigerweise so, aber es kommt doch häufig vor.

    Es gibt aber auch hier wieder ein Definitionsproblem, denn allzuoft ist, was man Liebe nennt, nichts weiter als ein Besitzwunsch. Schon in der Geschlechtlichkeit tritt klar die Unvollkommenheit des Menschen zutage. Man kann Frau sein, man kann Mann sein, man ist aber immer nur die Hälfte dessen was Mensch ist und wieder Mensch werden kann. Wenn man sich nun vervollständigen will dann will man sich natürlich auch vollständig beherrschen; vielleicht liegt da 'der Hase im Pfeffer'.

    Funktionieren kann das, was die Vervollkommnung angeht, so natürlich nicht, denn es sind ja zwei Individuen die sich zu ergänzen trachten und die beide dabei autonom bleiben wollen.

    Das geht aber nicht; wenn ich nun versuche Gewalt über die andere Hälfte zu bekommen, Herrschaft über sie auszuüben, dann gibt es zwei Möglichkeiten:

    a) das Gegenüber hat das gleiche Bestreben, es kommt zu einem Kräftemessen, welches entweder unentschieden ausgeht, was im günstigsten Fall zur Trennung im ungünstigsten zu permanenter latenter Aggressivität führt, was natürlich alles andere als ein Schritt zur Vervollkommnung wäre.

    b) Eine der beiden Hälften unterwirft sich bereitwillig. Das kann dann zwar funktionieren. Aber so ein Verhältnis litte dann dauerhaft an einem Mangel an Harmonie und Ausgeglichenheit. Ein Teil gibt seine Autonomie vollständig auf, damit der andere seine ebenso vollständig behalten kann. Oder anders: Von einem Schritt in Richtung Vervollkommnung kann also auch hier keine Rede sein, weil nicht jeder gleich am anderen teilhat.

    Der einzige Weg wäre also, sich hinzugeben ohne sich übernehmen zu lassen, andererseits aber anzunehmen ohne zu übernehmen. Jetzt frag mich aber bloß nicht wie das gehen soll.

    Mir fällt dazu gerade allerdings ein, dass Du mal gesagt hast: "Ohne Vertrauen geht gar nichts." Das ist wohl die erste Voraussetzung. Außerdem muss man sich selbst als erster geben, man darf sich dabei aber nicht (über)nehmen lassen. Ob man sofort etwas zurück bekommt, spielt keine wesentliche Rolle. Liebe ist in erster Linie ein 'geben wollen'. Wo man anfängt aufzurechnen, hört man eigentlich schon auf zu lieben. Man muss, was das Geben angeht, allerdings sein Maß kennen, das heißt, man muss die Grenze zwischen sich (hin?)geben und sich aufgeben kennen und sollte diese nicht überschreiten, sonst träte Fall b) ein.

    Bis hierher haben wir es mit einem Liebenden zu tun, das ist an sich schon mal nicht schlecht. Selbst wenn es nicht zu einer Beziehung, bzw. zu Gegenliebe kommt, kann das ein durchaus angenehmer und beglückender Zustand für den Liebenden sein, solange er sich

    a. keinen Illusionen hingibt und

    b. sein 'Maß' hält.

    Eine Liebesbeziehung wird daraus allerdings nur, wenn der Geliebte in genau gleicher Weise die ihm entgegengebrachte Liebe erwidert.

    Soviel zur Theorie der Liebe. =:)

    Ich finde die Rahmenbedingungen für Liebe auch gar nicht so schlecht. Man muss sich nur zu lieben trauen, d.h. sich die Gefühle, die man hat eingestehen, und soweit es eben geht, nach ihnen handeln.

    Eines der Grundprobleme der Liebe liegt wohl darin begründet, dass der Satz: "Ich liebe Dich." in aller Regel vom Adressaten mit "Ich liebe NUR Dich." übersetzt wird.

    Ein ganz entscheidender Fehlschluss, denn selbst wenn dem so wäre, dann könnte der Satz nur in dem Moment, in dem er ausgesprochen wird, volle Gültigkeit besitzen. Also müsste man ihn als: "Ich liebe jetzt (gerade - in diesem Augenblick) nur Dich!" auffassen. Das ist ja durchaus möglich, weil in diesem Augenblick vielleicht tatsächlich nichts anderes, als der Gedanke an den Geliebten im Bewusstsein des Liebenden Platz hat.

    Diese Ausschließlichkeit ist aber nicht Bedingung der Liebe, was sich leicht klarmachen lässt, denn wollte man ausschließlich eine Person lieben, die man nicht selbst ist, müsste man zu allererst die Liebe zu sich selbst aufgeben.

    Es ist meiner Ansicht nach grundfalsch, das Gefühl der Liebe zu mehr als einer Person, wenn es sich denn entwickelt, in sich nicht zuzulassen bzw. zu unterdrücken. Angesichts des offensichtlichen Mangels an Liebe in der Welt, wäre das sogar beinahe ein Verbrechen gegen die Liebe selbst. Es ist allerdings ein Problem, mehreren geliebten Personen gleichermaßen gerecht zu werden. Man sollte die Liebe zu mehreren aber keineswegs mit dem blinden Drang, durch möglichst viele Betten zu hüpfen verwechseln, selbst dann nicht, wenn erotische Anziehungskraft evtl. den Ausgangspunkt des Gefühls bildet oder sich nach und nach einstellt. Lieben bedeutet, dem Geliebten ohne Nützlichkeitserwägungen soviel zu geben als man kann, aber eben auch nicht mehr. Zu lieben bedeutet auch verzichten zu können, bzw. sich Wünsche (Begierden) zu versagen, nicht aber, sich selbst oder jemanden anderen aufzugeben. Denn bedeutete es nicht einen eklatanten Makel, wenn das Entstehen einer neuen Liebe nur auf Kosten einer evtl. (noch/bereits) bestehenden möglich wäre?

    Wäre es unter solchen Umständen überhaupt wünschenswert zu lieben?

    Oder anders: Wenn die Liebe Opfer verlangt, dann muss diese immer der Liebende unmittelbar bringen, das Opfern dritter ist nicht Ausdruck von Liebe, sondern von Gewissenlosigkeit.

    Ferner begründet das Gefühl zu lieben keinen Anspruch auf Gegenliebe. Es ist aber durchaus so, dass ein wirklich liebenswerter Mensch ihm entgegengebrachte Liebe, auch wenn er sie nicht zu erwidern vermag, niemals schroff zurückweisen und ebensowenig sie ausnutzen oder falsche Hoffnungen im ihn Liebenden wecken wird. (hoffe ich mal =:))

    Hier zeigt, sich endlich, dass nicht nur das Lieben, sondern auch das Geliebtwerden eine durchaus problematische Angelegenheit sein kann. =:)))

    Das wir vollkommen sind, wenn wir lieben oder geliebt werden, glaube ich allerdings nicht, schon alleine deswegen, weil es Vollkommenheit ja meiner Ansicht nach in der Wirklichkeit nicht, bzw. nur als Idee, geben kann. Als Idee allerdings MUSS es sie geben, und die Liebe ist möglicherweise einer der Wege, auf dem wir ihr entgegenstreben; also eine Möglichkeit den Grad unserer Unvollkommenheit zu verringern.

    Glücklich jedoch, können wir sein wenn wir lieben und zwar sowohl, wenn wir lieben, als auch wenn wir geliebt werden; am glücklichsten aber, wenn wir einander lieben. Glück aber bedeutet die momentane Abwesenheit von Mangel, insofern so etwas wie ein Vorgeschmack von Vollkommenheit. =:))
     

    6: Resume

    Zum Thema statische Herrschaft: Das 'Nichts' hat genauso wenig Platz für Herrschaft und Beherrschtwerden wie die Vollkommenheit.

    Es ist auch nicht mein 'Wunsch' Vollkommenheit als statisch zu sehen, sondern, wie ich meine ist sie schlichtweg nicht anders definierbar, jedenfalls fällt mir kein empirisch erfahrbarer Zustand von Vollkommenheit ein, es sei denn, man treibt mit dem Begriff Schindluder, wendet ihn falsch und abgewertet an; vollkommen schön ist mir jedenfalls nicht vollkommen genug, weil vergänglich.

    Ein bisschen vollkommen geht, um es mal ganz platt auszudrücken, genausowenig, wie ein bisschen schwanger.

    Zumindest dann nicht, wenn man Vollkommenheit nicht als Attribut, sondern als Träger von Attributen betrachtet 15).

    Im Grunde genommen kann man Vollkommenheit aber nur als Modus anderer Modi sinnvoll verwenden. Ein vollkommenes Wesen: Ein Wesen das ganz und gar "Wesen" ist. - TOLL!, Dann ist ein Eimer schon deswegen vollkommen weil er ganz und gar Eimer ist, und alles andere was ist deswegen weil es ganz und gar ist was es ist. Da verpufft der Begriff prompt in der Leere (Was seinen Aussagewert angeht.). Um noch Eima auf den Eimer zurückzukommen, der uns ja schon eima so schön als Beispiel diente:

    Eimer: Substanz

    Gefüllter Eimer: Substanz plus ein Modus

    Vollkommen gefüllter Eimer: Substanz plus Modus plus Modus.

    Das war's dann wohl ...

    Vollkommenheit entpuppt sich quasi als ein Begriff dritten Grades ..

    Alles vollkommen im Eimer ...


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